Privatsache Kommunikation? Wie die EU unsere Chats öffnen will

Privatsache Kommunikation? Wie die EU unsere Chats öffnen will

Zwischen Schutz und Kontrolle

Der Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt ist unbestritten. Doch der geplante EU-Verordnungsentwurf zur Chatkontrolle – offiziell: Verordnung zur Prävention und Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Kindern – spaltet die Gesellschaft. Befürworter sehen darin ein Instrument zum Schutz von Minderjährigen, Kritiker warnen vor einem Überwachungsstaat durch die Hintertür.

Wie Chatkontrolle funktioniert

Das Konzept beruht auf Client-Side Scanning (CSS): Inhalte wie Nachrichten, Fotos oder Videos werden bereits auf dem Gerät der Nutzer und Nutzerinnen überprüft – noch bevor sie verschlüsselt oder versendet werden. Ziel ist es, verdächtige Darstellungen von Kindesmissbrauch oder Grooming-Versuche zu erkennen.

Doch damit wird Ende-zu-Ende-Verschlüsselung – das Rückgrat sicherer Kommunikation – ausgehöhlt. Jede Nachricht, jedes Bild könnte künftig vor dem Versand analysiert werden.

Technische Verfahren wie Hashing, Perceptual Hashing und KI-Erkennung sind dabei fehleranfällig, manipulierbar und kaum transparent prüfbar. Die Konsequenz: Millionen unschuldiger Nutzer und Nutzerinnen würden in ein digitales Raster fallen.

Grundrechte in Gefahr

Über 700 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen warnen: Chatkontrolle verletzt das Recht auf Vertraulichkeit und Privatsphäre (Art. 7, 8 EU-Grundrechtecharta). Es handelt sich um eine anlasslose und flächendeckende Überwachung, die die gesamte Bevölkerung betrifft – nicht nur Verdächtige.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) sieht darin eine massive Verletzung von Kommunikationsfreiheit und Meinungsfreiheit. Das Ergebnis: sogenannte Chilling Effects – Menschen vermeiden sensible Themen oder kritische Aussagen, weil sie sich überwacht fühlen.

Technische Unsicherheit und Missbrauchsgefahr

Client-Side-Scanning-Systeme schaffen eine Überwachungsinfrastruktur auf jedem Gerät. Einmal installiert, kann ihr Zweck jederzeit erweitert werden – auf politische Kommunikation, Urheberrechtsverletzungen oder andere Inhalte.

Dazu kommt das Sicherheitsrisiko: Jede Hintertür, die für Behörden geschaffen wird, kann auch von Kriminellen genutzt werden. Die Folgen reichen von Datenlecks bis hin zur Unterwanderung von Messenger-Diensten, die bislang als sicher galten.

Zweifel an Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit

Fachleute bezweifeln, dass Chatkontrolle tatsächlich den versprochenen Schutz bringt. Bekannte Missbrauchsbilder lassen sich zwar erkennen, neue oder verschlüsselte Inhalte bleiben aber unerkannt. Hinzu kommt die Gefahr von Fehlalarmen, wenn harmlose private Fotos oder Chats automatisch gemeldet werden – ein Albtraum für Betroffene. Auch die Kosten für Anbieter und Gesellschaft wären enorm, während die Wirksamkeit gering bleibt.

Weitere Kritikpunkte am EU-Entwurf

Neben der Inhaltsüberwachung enthält der aktuelle Entwurf weitere problematische Punkte:

  • Altersverifikation: Pflicht zur Identitätsprüfung bedroht Anonymität und Datenschutz.
  • Netzsperren: Internetanbieter sollen Seiten blockieren – ein gefährlicher Präzedenzfall für Zensur.
  • Pflichten für Cloud-Dienste: Auch private Cloud-Inhalte könnten gescannt werden.
  • Rechtliche Unklarheiten: Freiwillige Filterung durch Anbieter schafft Grauzonen und Haftungsrisiken.

Stimmen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Kinderschutz

Die Warnungen sind eindeutig:

  • Der Offene Brief von über 700 Wissenschaftler:innen nennt Chatkontrolle einen „Angriff auf die digitale Privatsphäre“.

  • Die GFF spricht von einem „Dammbruch“, der demokratische Prinzipien gefährdet.

  • Netzpolitik.org bezeichnet die Verordnung als „gefährlichste Massenüberwachungsmaßnahme in der Geschichte der EU“.

  • Der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) betont dagegen, dass echter Kinderschutz nicht durch Überwachung, sondern durch Prävention, Aufklärung und soziale Arbeit erreicht wird.

Fazit – Kinderschutz braucht Freiheit, nicht Kontrolle

Kinderschutz ist unverhandelbar. Doch Chatkontrolle ist der falsche Weg. Sie schwächt Verschlüsselung, öffnet Missbrauch Tür und Tor und schafft eine Infrastruktur, die die Grundrechte aller Bürger und Bürgerinnen gefährdet. Was Kinder wirklich schützt, sind Prävention, Bildung, konsequente Strafverfolgung und Stärkung von Vertrauensstrukturen – nicht digitale Überwachung.

Europa sollte mit gutem Beispiel vorangehen: Freiheit und Sicherheit dürfen keine Gegensätze sein.

Freiheit braucht Aufmerksamkeit

Teile diesen Beitrag, sprich darüber – und setze dich für einen Kinderschutz ein, der unsere Grundrechte wahrt und nicht alle Menschen unter Generalverdacht stellt.

Quellen

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